Echtzeit-Personalisierung (Profiling) von Webshops

Vor einigen Wochen entwarf ich für OTTO ein marketingseitiges Durchführungskonzept zur Echtzeit-Personalisierung (Profiling) des Otto-Shops. Einige der Findings dieses spannenden Projektes gebe ich hier weiter:

Das Prinzip der Echtzeit-Personalisierung (Profiling) von Websites

Anhand eines plastischen Beispiels wird hier zunächst aufgezeigt, was Echtzeit-Personalisierung in der Praxis bedeutet:

Herr Muster wurde gestern Kunde von Otto.de

otto.de Klickhistorie

  • Google-Suche „Crossfire100 Herren” (Rollerblade Inlineskate)
  • Klick auf Deeplink zur Produktseite im Otto-Shop
  • Produktvergleich hochpreisiger Herren-Inlineskates
  • In den Warenkorb: Herren-Inliner K2 Mach 100 Custom Fit
  • Klick auf Shop-Rubrik Reisen (Rund- und Erlebnisreisen)
  • Ansicht mehrerer Single-Reisen (keine Preispräferenz)
  • Shop-Suche „Herren-Rennrad”
  • Ansicht hochpreisiger Rennräder (keine Markenpräferenz)
  • Warenkorb
  • Registrierung
  • Kasse
  • Homepage

Was OTTO nun über Herrn Muster weiß

Herr Muster…

Kunden-Profiling(Angaben im Kundenprofil – explizite Personalisierung)

  • … ist 45 Jahre alt
  • … wohnt in Hamburg

(abgeleitet aus den Transaktionen – implizite Personalisierung)

  • … ist wahrscheinlich Single
  • … verfügt offenbar über hohe Kaufkraft
  • … treibt offenbar viel Sport
  • … ist offline erlebnisorientiert
  • … ist Internet-affin
  • … ist nicht Marken-affin
  • … repräsentiert den zielorientierten, intrinsischen Käufertyp:
  • … ist routiniert in Online- und Shop-Suche
  • … interessiert sich nicht für gedruckte Kataloge
  • … interessiert sich nicht für besondere Zahlungsmodelle
  • … interessiert sich nicht für Teaser, Up- oder Cross-Selling
  • … hat eine niedrige Loyalitäts-/ hohe Churn-Wahrscheinlichkeit

Sein letzter Blick auf die Otto-Homepage (ohne Personalisierung)

Der Otto-Shop ist „weiblich” voreingestellt, und setzt vielerlei Teaser ein, für die Herr Muster unempfänglich ist. Nur ein kleiner Bereich der Homepage von otto.de wäre geeignet, Herrn Muster direkt anzusprechen – was recht schade ist, denn Herr Muster ist zwar wahrscheinlich kein besonders treuer Kunde, aber doch pflegeleicht und mit recht hoher Kaufkraft:

OTTO-Shop (IST)

Sein letzter Blick auf die Otto-Homepage (mit Personalisierung)

Diese personalisierte, also an die Interessen und Gewohnheiten des Kunden angepasste Version der otto.de-Homepage spricht Herrn Muster wesentlich stärker an, und er bekommt nicht das Gefühl, „im falschen Shop gelandet zu sein”. Die Wahrscheinlichkeit, dass er den OTTO-Shop erneut besucht, steigt enorm, ebenso sein Umsatz pro Besuch:

OTTO-Shop (SOLL)

Webshop-Personalisierung aus historischer Sicht

Ein guter Verkäufer im klassischen Einzelhandel („verkauft noch einem Ertrinkenden ein Glas Wasser“) kann durch geschicktes Eingehen auf seine Kunden erstaunliche Mehrumsätze erzielen. Auf diese hohe Kunst des Verkaufens wurde im Distanz- sowie im Online-Handel der ersten Generationen aus Gründen der Kostenersparnis verzichtet. Zunehmender horizontaler wie vertikaler Wettbewerb werden dazu zwingen, das enorme Potenzial an Kundenzufriedenheit/Kundenbindung und Abschöpfung von Kaufkraft zu nutzen, das in Zielgruppenansprache bzw. (scheinbar) persönlicher Ansprache liegt. Moderne Technologien (Backend, CMS, CRM) sind längst so weit ausgereift, dies effizient umzusetzen.

Personalisierung und Kommunikationseffizienz

Die darstellbare und vermittelbare Informationsmenge in einem E-Shop ist begrenzt, die Wahrnehmungskapazität von Kunden ist begrenzt, ebenso sind Zeit und Geduld der Kunden begrenzt. Ein Shop muss also möglichst relevante Informationen ausliefern, z.B. mit

  • räumlichem Bezug
  • Bezug zu Geschlecht, Altersgruppe, sozialem Beziehungsstatus
  • Berücksichtigung der Kaufkraft
  • Berücksichtigung technischer Gegebenheiten (z.B. Netzzugang, Monitor-Größe)
  • Berücksichtigung von E-Commerce-Gewohnheiten (Erfahrung, soziale Absicherung (z.B. Kundenkommentare), Nutzung von Hilfssystemen, Empfehlungen, Zahlungsmodalitäten, Kommunikationskanäle etc.)
  • Berücksichtigung von Activities, Interests, Opinions (AIO)
  • Berücksichtigung weiterer relevanter Kriterien der Marktsegmentierung

Personalisierung und Shopping-Erlebnis

Durch Personalisierung kann das Shopping-Erlebnis emotional beladen werden, was einerseits zu Umsatzsteigerungen (Kaufentscheidungen werden auf affektiver Ebene gefällt), andererseits zu höherer Kundenzufriedenheit und -loyalität führt.

  • Persönliche Ansprache, Aufbau einer Beziehung
  • Ansprache mit räumlichem und zeitlichem Bezug
  • Maßgeschneiderte Angebote mit hoher Relevanz:
    • Erfolgreiche Shopping-Erlebnisse, Frustvermeidung
    • Rückschuss auf Kompetenz des Verkäufers/Shops
    • „Shop passt zu mir” – „Man nimmt mich ernst” – „Mein Shop”
  • Zielgerichtete Beratung (z.B. Farb-, Figur-, Problemzonen-Berater)
  • Angepasste Dramaturgie (z.B. Happy Price Angebot nach Kasse)
  • Lifestyle individualisierter Shop (z.B. Ed Hardy- / Hello Kitty-Look)
  • Vermeidung irrelevanter Informationen (z.B. falsche Altersgruppe)
Share on Facebook Share on Twitter Post to Delicious! Post to Diaspora!

Über Marc Stenzel

Marc Stenzel ist Inhaber der New Media Agentur media deluxe sowie freiberuflich als Marketing- und Projektmanager Online, Dozent und Fachjournalist (DFJV) tätig. Marc Stenzel bloggt hier über aktuelle Themen aus dem fachlichen und räumlichen Umfeld des Unternehmens - mal sachlich, mal humorvoll:
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, E-Business, Marketing, Projektmanagement, Usability, Webdesign abgelegt und mit , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentare sind geschlossen.